Kategorien
Die KOLUMNE

Niemand hat die Absicht eine Kartoffel aufzuhängen!

Kinder, was ist da denn los? Kaum verlässt man frustriert die Häuseransammlung am Lech, schon ist die braune Kacke am Dampfen. Woher kommt der Geruch? Der Schnupperspur zur Folge kommt er genau aus der Ecke, in der der braune Bodensatz am Ende der Dose einfach nicht weggehen will und irgendwann zum müffeln anfängt: Social Media.

Über die Thematik „Klimacamp“, welche der Auslöser für all die Action war, könnte man glatt eine eigene Kolumne füllen, daher lassen wir das mal. 2020 ist kein tolles Jahr, doch wer mal für einen Moment seine Sorgen und Nöte vergessen will, dem sei ein Besuch auf der Facebookseite des AfD Kreisverbandes Augsburg Stadt zu empfehlen. Eine Zwerchfellmassage erster Güte. Zu angesprochenem Camp wurde irgendwas gefordert von ihnen, weiß nicht mehr genau was. Ist im Angesicht von deren Forderungen („keine Extraspur für die Tram, das behindert nur die Autofahrer“ oder „wer in Augsburg wohnt, aber woanders arbeitet, sollte verpflichtend mehr Miete zahlen“) auch irrelevant (oh, wie ich dieses Wort zu hassen gelernt habe).

Einer unserer sehr guten Genossen kommentierte den Post mit „Dann fordert mal“. Nur diese drei Wörter reichten den Sherlock Holmes von der AfD (oder deutschen wir es ein, ein ausländisch klingender Name passt nicht zu ihnen. Sagen wir Max Meier) um schlau zu kombinieren, dass Die PARTEI – ja uns schreibt man übrigens so, ist eigentlich gar nicht so schwer – „beim Schutz der militanten Linksextremisten“ dabei wäre. Gut zu wissen, wir wussten nämlich nichts davon.

Circa 8 Stunden nach dem Kommentar schwenkte man auch schon zum wahren Gesicht über und schwang in die Rassismus- und Sexismusschiene indem man unsere Lisa persönlich angriff (Ja, es gibt einen Unterschied ob man eine Partei angeht oder eine Einzelperson, kann man mit Sicherheit irgendwo nachlesen). Der Screenshot spricht für sich und sollte mittlerweile jedem bekannt sein. Danke an dieser Stelle für den Erfinder des Screenshots, natürlich ist der Post bereits gelöscht. Böser böser Social-Media-Manager!


Satirisches Material zu finden wird leider immer schwerer, da sich viele Politiker nicht mehr so naiv, vor allem uns gegenüber, anstellen wie früher und immer öfter darauf achten, was sie sagen. Nicht so bei unseren rechten Freunden, die müsste man eigentlich gar nicht angehen, die zerstören sich schon selbst. Anstatt einfach Gras über die Sache wachsen zu lassen, sah man sich aufgrund des Backlash, der bis in den Stadtrat ging, zu diversen Gegenposts gezwungen. Alles online nachzulesen (bis es gelöscht wird natürlich). Paar davon haben uns doch schier beömmelt! Anmerkung: Die Echauffierung, dass ja alle gleich als Nazis hingestellt werden, lasse ich mal weg. Hierzu muss man nun wirklich nichts mehr sagen.

Zum einen geht es natürlich um unseren bösen bösen Aufkleber „schwärzer als die CSU“. „…nach unserer Auffassung hat die Hautfarbe eines Kandidaten in einem Wahlkampf nichts verloren“, heisst es auf der AfD Seite. Und weiter: „Spaßeshalber habe ich mit angefügt, dass wir ja auch nicht mit Slogans wie Steffen Müller, weißer als ein Eisbärenhintern ins Felde gehen…“

Hierzu zwei Sachen. Erstens: Wir in der Partei Die PARTEI bevorzugen ja die Schreibweise „csU“, da wir der Meinung sind, dass sich die csU von den eigens aufgestellten christlichen und sozialen Werten weit entfernt hat. Natürlich können wir das so nicht auf den Aufklebern schreiben, da jeder sofort auf einen Rechtschreibfehler schließen würde, und wir alles erst mal erklären müssten. Jede Partei hat außerdem im Laufe der Jahre eine bestimmte symbolisierte Farbe, die csU (bzw. die Union an sich) wird oft schwarz dargestellt. Ihr seid übrigens meistens blau, obwohl braun besser passen würde. Schwärzer zu sein als die csU soll dann natürlich bedeuten, dass es bei uns christlicher und sozialer zugeht. Passend natürlich auch hier, dass Lisa dunkelhäutig ist, womit der Spruch nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch zur Geltung kommt, dadurch zweideutig verstehen werden kann und somit polarisiert. Meine Fresse, muss ich hier gerade echt den satirischen Hintergrund erklären?!

Der sehr gute Aufkleber kann gerne nachgefragt werden. Smiley

Zweitens: Das „Spaßes halber“ erwähnte Wahlplakat mit dem „weißer als ein Eisbärenhintern“ würde ich wirklich lieber lassen. Aufgrund eines sachdienlichen Hinweises (danke Hendrik) und anschließender zweiminütiger Googlerecherche habe ich herausgefunden, dass Eisbären nur ein weißes Fell und eigentlich eine SCHWARZE Haut haben. Sapperlott! Würde nicht so in deren Weltanschauung passen, wenn sie sich mit etwas Dunklem vergleichen. Außerdem erstaunlich, dass von allen „hellen“ Tieren ihnen genau das in den Sinn kommt, welches durch Artenrückgang auffällt und bald vom Aussterben bedroht ist, also irgendwann Gefahr läuft zu verschwinden. Ein bemerkenswerter Vergleich.

Ein weiterer Aufreger: „Mit Slogans wie ´Hier könnte eine Kartoffel hängen´ mit dem Wort Kartoffel als diskriminierende Beschimpfung gegen die autochtondeutsche Bevölkerung, wird linke Agitation betrieben, die die Grenzen der Satire überschreiten“, so die AfD auf ihrer Facebookseite.

Also erst mal großen Dank für den Hinweis. Das Bild ist leider sehr verschwommen, schwer zu erkennen, welcher sehr gute Kreisverband das war. Das Plakat kannten wir selber noch nicht, aber ist ja großartig! Wie dem auch sei, selbstredend wird hier auf das große Problem der Anthophobie, der krankhaften Angst vor Pflanzen, aufmerksam gemacht. Pflanzen spenden nicht nur Sauerstoff, sondern dienen wie im Fall der Kartoffel auch zum Verzehr. Von all den Pflanzen die es gibt haben wir hier die Kartoffel ausgewählt, da diese als urdeutsches Essen gilt, weil es super als Beilage zu jeder Art Sonntagsbraten (der ist der AfD ja besonders wichtig) dient, sondern auch schon von Friedrich dem Großen im 18. Jahrhundert aufgrund ihrer Vielfältigkeit in Brandenburg-Preußen großflächig angebaut wurde. Und wer war bitte preußisch-deutscher als Friedrich der Große?

Es wäre also eine Schande, wenn sich diese Phobie weiter ausbreitet und Pflanzen darunter leiden müssten, oder gar aufgehängt werden. Daher bezieht Die PARTEI KV Augsburg eine klare Position:

NIEMAND HAT DIE ABSICHT EINE KARTOFFEL AUFZUHÄNGEN

Da ich noch keine Kinder habe, musste ich mich beim Abschlusssatz des Posts von der AfD zusammenreißen, dass mir nicht der Sack vor lauter Lachen platzt:

„Fein, was unter dem Etikett SATIRE so alles geduldet werden kann, denn spätestens seit dem Genossen Tucholsky wissen wir: „Satire darf alles!“. Wir allerdings bleiben allerdings [Anmerkung: Ja, das haben die echt so geschrieben] weiterhin im Fahrwasser des guten Geschmacks und der fairen Diskussionsführung.“

Richtig, darum werden auch fleißig Kommentare, die nicht ganz so passen gelöscht und User für das Kommentieren geblockt. Denn eine faire Diskussionsführung heißt, dass ich meine Meinung bitte von allen nur bestätigt haben möchte. Ist allgemein bekannt.


Best of Reaktionen zu unserem Post des rassistischen und sexistischen Screenshots:

Martin Sonneborn (GröVaZ und EU-Sitzungsgeldgenießer): „Idiot. PS: Unsere Spitzenkandidatin Lisa hätte „allen Anschein nach“ nicht mit „n“ geschrieben. Gibt Ihnen das nicht zu denk… äh, Pardon, ich ziehe die Frage zurück.“

Volksverpetzer (Social Media Grantler): „So widerlich rassistisch und sexistisch äußert sich die AfD Augsburg über die Augsburger Spitzenkandidatin der Die PARTEI“

Hooligans gegen Satzbau (Wiegehtarische Satire und Aktivistisches): „ xD „

Peter Hummel (wählt meistens frei): „Wer andere Menschen ihrer Hautfarbe wegen diskreditiert, ist ein Rassist. Und Rassismus ist niemals tolerierbar. Deshalb werde ich künftig in jedem Ausschuss des Augsburger Stadtrats, in jeder Sitzung und in jedem Beirat, in dem ich vertreten bin, die Anwesenden darauf hinweisen, dass auch Rassisten mit am Tisch sitzen, sofern Stadträte der AfD anwesend sind. Das bin ich, das sind wir alle Lisa McQueen schuldig. Es darf keine Normalität mit diesen Leuten geben. Kein Wegschauen. Kein Tolerieren.“

Frederik Hintermayr (geht lieber auf der linken Seite vom Bürgersteig): „Solidarität mit Lisa“

Rene K. (Antwortsucher auf Facebook): „Ich weiß dann immer nicht, was schlimmer ist. Die AfD oder diejenigen, die solche Wixxxer gewählt haben und auch weiterhin unterstützen…“

Ja Rene, das fragen wir uns auch. Man muss kein Geschichtsstudent sein, um zu wissen, wohin eine solche Politik führt. Wir heißen keinerlei radikale Politik gut, egal ob sie nach links oder rechts geht. Aber kann man aus der extrem rechten Politik der Nationalsozialisten, wie sie im Dritten Reich (und auch schon die Jahre davor) geschehen ist, nicht langsam mal Lehren aus der Geschichte ziehen? Die Generation, welche noch davon berichten kann, stirbt leider komplett aus und wir alle können nur erahnen, wie es gewesen sein muss damals zu leben.

Ich persönlich frage mich immer wieder, wie würden sich die, die so etwas im Jahr 2020 immer noch propagieren, wohl dann fühlen, sollte so etwas echt wieder in unserem Land geschehen. Oder wissen sie, dass die Menschheit mittlerweile doch weiterentwickelt ist um so etwas nie wieder geschehen zu lassen und suchen nur ein Ventil für ihre eigene Unzufriedenheit, schlechte Lebenslage oder Einsamkeit? Jedem ist die Antwort selbst überlassen.


Großen Respekt, und ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich das mal sage, zolle ich dem Stadtrat und sämtlichen Politikern, die sich auf Lisas Seite gestellt haben – egal von welcher Partei. Mein Webärchen, wie ich liebevoll die Oberbürgermeisterin nenne, sprach dies auch in der letzten Stadtratsitzung vor versammelter Mannschaft an. Stark!

Ihr kriegt alle von uns euer Fett weg. Gut, ihr liefert uns auch immer genügend Material, aber wenn es gegen rechtes Gedankengut und rassistische Angriffe gegen eine einzelne Person, noch dazu aus dem Stadtrat, geht, dann hat der Stadtrat (die AfD klammere ich hier selbstverständlich aus) wirklich zum ersten Mal Geschlossenheit, Einigkeit und Zusammenhalt bewiesen. Alle Ehre euch allen dafür!


Bleibt abschließend nur noch zu spekulieren, wie sich die Zukunft wohl entwickeln wird. Ich denke, sie wird leider noch ein bisschen traurig bleiben. Fehler eingestehen, oder gar Einsicht kann man wohl nie erwarten. Der Postverfasser der AfD postet hierzu: „Insgesamt bin ich im Nachhinein sehr zufrieden mit dem was dabei herausgekommen ist. Es war zwar meinerseits so nicht geplant, aber es hat uns in der Öffentlichkeit gut positioniert in der immer noch aktuellen hysterischen Rassismusdebatte“.

Ähm ja, das ist ungefähr so wie damals als ja bekanntlich Adolf H. am 30. April 1945 im Führerbunker kurz bevor er sich die Kugel gab folgendes aussprach: „Insgesamt bin ich im Nachhinein sehr zufrieden mit dem was dabei herausgekommen ist. Es war zwar meinerseits so nicht geplant, aber es wird mich über Generationen hinweg immer in Bewusstsein der Menschen fest verankert haben“.

Man kann sich alles irgendwie schönreden. Hey, hier ist noch eine zufällige Aneinanderreihung von Buchstaben:

Kurze Richtigstellung am Ende: Mich erreichte ein sachdienlicher Hinweis von oberster Führungsriege der Generation Aux, dass mir ein Zitierfehler in der Ausgabe 2 unterlaufen ist. Der Satz, dass er ja eines Tages auch gerne ein alter weißer Mann sein möchte, stammte nicht von Herrn Hinterbrandner, sondern von Herrn Brandmiller. Entschuldigung dafür, aber nach mehreren Stunden Stadtrat Mitschriften war da mein Hirn anscheinend schon durch.

Zum Ende wieder die „Liste der coolen Leute“:

Lisa McQueen, dafür, dass sie es bis in den Stadtrat geschafft hat und dadurch ein paar Einzeller mächtig ärgern kann.

Raphael Brandmiller, dafür, dass er anscheinend diese Text hier liest, alle Ehre!

Horst Hinterbrandner, dafür, dass er mir wegen falschem Zitieren nicht die Prügel rausgeschmissen hat. Danke!

Peter Hummel, dafür, dass er den Genossen am Stammtisch das versprochene Bier vorbeigebracht hat. Ehrenmann!


Gewidmet unserer Lucy, Ruhe in Frieden!

Kategorien
Die KOLUMNE

Von Künstlern und Schwerverbrechern!

In der letzten Ausgabe von Die KOLUMNE schrieb ich über einen fliegenden DeLoreon. Für alle Unwissenden: Es handelt sich hier um das Auto, welches im Film „Zurück in die Zukunft“ in eine Zeitmaschine umgebaut wird. Wir stellen uns jetzt einmal folgendes Szenario vor: Die Menschheit wäre wirklich eines Tages auf dem Wissensstand, eine solche Apparatur zu entwickeln. In welche Epochen würdet ihr alle vor oder zurückfliegen wollen? Picken wir uns einfach mal das so genannte finstere Mittelalter heraus. Wir fliegen mit unserem DeLoreon zurück ins Bayern des Jahres 1020.

Wir schlendern durch die Straßen von Augsburg und gehen über den Marktplatz. Hinter uns ein Aufschrei, jemand hat einen Apel von einem Stand gestohlen. Zwei Gassen später wird er aufgegriffen, am Abend noch hängt der Dieb, der vielleicht nur seine Familie irgendwie ernähren wollte, unter dem Gröhlen der Bevölkerung am Galgen. Uh, wie unschön denken wir uns! Wir gehen weiter. Im Laufe unseres Mittelaltertrips kommen wir immer wieder an armen Seelen vorbei die wegen Verrat gerädert, wegen Ketzerei verbrannt, wegen Ehebruch geköpft, wegen Überfall gerädert oder zersägt werden. Was für ein überzogenes Strafmaß, was müssen die Menschen doch dumm gewesen sein? Wir fliegen zurück ins Jahr 2020, in eine zivilisiertere Welt mit Gerechtigkeit und Humanität!

Nun googeln wir einfach mal aus Langeweile oder sehen uns im World Wide Web ein paar Nachrichten an. Gewaltverbrecher (physisch und psychisch), die wahrlich eine Bedrohung für die Mitmenschen darstellen, und vor denen die Gesellschaft eher geschützt werden sollte, wandern nur 3 Jahre ins Gefängnis. Steuerhinterzieher dagegen 5 Jahre. Schmierfinke, die Graffitis an öffentlichen Gebäuden hinterlassen werden auch schon mal 2 Jahre weggesperrt. Man kommt aufgrund des unverhältnismäßigen Strafmaßes wieder mal ins Grübeln. Man ist geneigt wieder in den DeLoreon zu steigen, um zu erfahren, ob denn die Menschheit in der Zukunft eines Tages mal ein vernünftiges Strafmaß finden wird.

Sicher, der ein oder andere tippt vermutlich jetzt schon in die Tasten „Vergleicht der Junge gerade die brutalen Todesstrafen im Mittelalter mit der heutigen Zeit?!“. Und in der Tat, einen Zeitabstand von 1000 Jahren kann man natürlich nicht miteinander vergleichen, aber wohl die Kontinuität, dass die Menschen wohl nie ein gesundes Mittelmaß an Strafen finden werden!


Was für eine schöne Einleitung. Und da wären wir auch schon beim heutigen Thema!

Ihr habt es sicherlich mitbekommen. Der, mittlerweile stadtweit bekannte Künstler Bernie McQueen (Schaffer und Verbreiter der Augsburgblume), seines Zeichen Ehemann unserer Stadträtin Lisa, wurde nun wegen illegalem Graffiti von einem Gericht verurteilt und sitzt mittlerweile eine Haftstrafe ab. Unsere Gegner schlecken sich jetzt schon die Mäuler, das wissen wir. Schön nachzusehen in diversen Facebookposts von einschlägigen lokalen Medien. Unsere Sympathisanten dagegen, siehe z.B. den dazugehörigen Augsburger Allgemeine Artikel vom 29.07.2020, halten uns immer noch die Stange.

Nun sehen wir uns aber auch als Die PARTEI zu einem Statement veranlasst.


Wir als sehr gute Partei Die PARTEI stehen natürlich geschlossen hinter unserer Stadträtin Lisa und ihrem Ehemann Bernie. Wir schätzen seine Kunst, seine Art, sein Talent und seinen Willen, die Fuggerstadt, und sei es nur durch ein paar einfache Zeichnungen, ein kleines bisschen schöner zu machen.

Aber: Wir wissen selbstverständlich auch, dass das Bemalen von öffentlichem Eigentum eine Illegalität darstellt und dafür die Verursacher zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Das R in PARTEI steht immerhin für „Rechtsstaat“, und dessen Regeln und Normen respektieren wir auch. Doch hier kommt der Knackpunkt:

Um was es uns hauptsächlich bei der ganzen Thematik geht: Ist die Art des Umgangs mit Künstlern in der Stadt, das Strafmaß und die Auslegung mancher Politiker für die Kunstszene der Stadt Augsburg.


Der Freistaat Bayern, und damit die seit Jahrzehnten regierende csU, war schon immer ein Sonderfall in Deutschland. In keinem anderen Bundesland ist die Strafauslegung für illegales Graffiti so hoch wie hier, nirgendwo sonst wird es so stark (auch mit Haftstrafe) geahndet. In der Regel ist in anderen Bundesländern ein hohes Bußgeld fällig, was den betreffenden freien Künstlern – in der Regel selbstständig – langfristig mehr weh tut.

Laut dem Bayerischen Gesetz gilt es schon als Sachbeschädigung, wenn man nur das Aussehen einer Sache verändert. Auch mit wasserlöslicher Kreide. Ich denke somit hat sich fast jeder von uns schon einmal strafbar gemacht der als Kind mit Kreide etwas auf einen Bürgersteig oder auf eine Wendeplatte gezeichnet hat. Die Bajuwaren….schon immer ein Volk von Verbrechern gewesen! Karl der Große tat gut diesen gottlosen und gesetzeslosen Haufen zu unterwerfen!


Unseren Unmut über den Umgang mit freien Künstlern möchte ich nochmal kurz an drei Beispielen erläutern, bevor ich zum Schlussfazit komme:

– Bei niemand geringerem als König Markus I., nein halt…. Ministerpräsident Markus Söder hätte als nächste Instanz für Bernie ein Gnadengesuch gestellt werden sollen. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat dieses bevor es weitergegeben kann bisher weder abgelehnt, noch ihm stattgegeben. Logisch! Warum den nächsten Bundeskanzler auch mit so kleinen Fischen beschäftigen lassen, wenn doch die Umfragewerte gerade so hoch, und die mögliche Kanzlerkandidatur in greifbarer Nähe ist? Immerhin kommt jetzt, nachdem wir mit einem Lockdown (der konsequenterweise kommen musste) monatelang vieles bewusst runtergefahren haben, das logische Wirtschaftswachstum in welchem man sich sonnen kann! Muss mal meinen Opa fragen, ob der damals auch den amerikanischen Bombern gedankt hat, dass sie alles zerschossen haben, weil nur so das Wirtschaftswunder durch Wiederaufbau möglich war. Ach verdammt, der Geschichtsstudent schweift schon wieder ab – nächster Punkt!

– Der Augsburger Stadtrat hat letztes Jahr entschieden, nach Beschlussvorlage der csU, dass die Innenstadt in einem bestimmten Radius nicht mehr bunt gestaltet werden darf. Kein Eigentümer darf mehr seine Hausfassade farbig/bunt anstreichen. Unabhängig vom Baujahr des Hauses. Schade, dabei schmücken wir uns doch so gerne mit Häusern wie dem Weberhaus am Moritzplatz, weil das doch so schön bemalt und bunt ist. Vielleicht sollten wir mal einen Antrag stellen alle weisen Häuser zumindest mit blauen Rauten anmalen zu dürfen? Mehr Bayern geht ja dann wohl nicht!

Das Copyright für das Weberhausbild: Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Weberhaus_(Augsburg)

– Man munkelst diverse Künstler hätten gute Aufträge in der Augsburger Innenstadt erhalten können, auf Wunsch der Objektbesitzer. Politische Obrigkeiten fanden dies allerdings nicht so fein, und legten ein Veto ein. Wenn persönliche Fehden in das Berufsleben anderer Menschen eingreifen…


Zusammengefasst: Kunst ist KEIN Verbrechen, Sachbeschädigung schon. Wir stehen zu unserer Gesetzgebung und können es auch völlig nachvollziehen, dass bei Verstoß gegen diese eine Bestrafung die logische Konsequenz ist. Was wir aber anprangern ist der Umgang mit den Kunstschaffenden und das Strafmaß, diese wegzusperren. Wir sind nicht in der Position dies in nächster Zeit ändern zu können, aber anprangern können wir es durch unsere Meinungsfreiheit allemal.

Schafft künstlerische Flächen, geht mit den Künstlern in Dialoge, versucht ihre Lage zu verstehen, behandelt sie nicht wie Schwerverbrecher, setzt für Graffiti nicht das gleiche Strafmaß an wie für Gewaltverbrecher, und zeigt euch bitte als Großverdiener, die die hohen Viecher in der Politik nun mal sind, nicht so abwertend den selbstständigen Künstlern gegenüber, die nicht eurem Verhalten oder Geschmack entsprechen. Wir finden das schlimm!

Unseren Standpunkt muss niemand vertreten. Das ist ja gerade das Schöne an der Meinungspluralität in unserem Land.

Und zum Ende spanne ich nochmal den Bogen zu meiner DeLoreon Zeitreise. An alle, die in Facebook-Kommentaren Sätze und Forderungen fallen lassen wie „Richtig so, auf ewig wegsperren diese Verbrecher“ etc.: Ihr wärt vermutlich auch damals diejenigen gewesen, die beim Aufhängen, Rädern, Vierteilen und Zersägen von Verurteilten in der ersten Reihe stehend die Menschen noch einmal bespuckt und dem Henker zugejubelt hätten, wenn dieser den abgeschlagenen Kopf der pöbelnden Menge präsentierte. Hat sich die Menschheit in den letzten 1000 Jahren in gewissen Dingen wirklich zivilisierter weiterentwickelt?

Zum Ende wieder die „Liste der coolen Leute“:

Bernie McQueen, für das Erschaffen der Augsburg Blume, die wir zwar alle gernhaben, aber über den Künstler gerne mal schweigen.

Lisa McQueen, dafür, dass sie mal wieder eine halbe Seite in der Augsburger Allgemeinen bekommen hat und dafür bestimmt ein paar Leute ärgern konnte!

Kategorien
Die KOLUMNE

Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt!

Krisenmanagement. Ein Wort, welches gerne mal missbraucht wird und woraus völlig neue Be-rufsgruppen geschafft werden können. Die Rede ist vom Krisenmanager. Der Augsburger Stadtrat, bzw. diverse Mitglieder, schreiben sich gerne mal aufs Haupt „Krisenmanager“ zu sein. Aber was macht der Krisenmanager in krisenlosen Zeiten? Wie der Soldat, der sich nach dem Friedensschluss nutzlos fühlt, so mag es wohl auch dem ein oder anderen Krisenmanager in unserer Fuggerstadt gehen. Was also tun?

Am besten wäre es wohl, einfach die existierenden „Krisen“ soweit es geht in die Länge zu ziehen, damit der Krisenmanager sie auch immer wieder neu zu bewältigen hat. Schön zu sehen letzten Donnerstag; es war mal wieder Stadtratssitzung!

Gekonnt nach dem Motto: Wenn ich mein Fahrrad schiebe, habe ich bei der Strecke die ich da-mit zurücklegen wollte ja mehr davon! Klingt gut, ist aber doch irgendwie seltsam…


Zum Klimacamp am Rathaus sei an dieser Stelle nichts gesagt, es wurde schon genug geredet. Herrliches Beispiel von Problemverzögerung der Stadt: Anstatt auf die Aktivisten zuzugehen, mit ihnen zu reden, Probleme zu lösen, wird lieber der Versuch gewagt das Camp zu räumen, oder die Probleme einfach auszusitzen. Das arbeitslose Pack kann schließlich nicht ewig durchhalten.

Und siehe da, sapperlott, die zotteligen Hippies liegen jetzt schon am Eingang vor dem Rathaus auf dem Boden. Wie würden die Stadträte reagieren, die ja zwangsläufig an ihnen vorbei müssen? Die Aktivisten haben jedoch nicht den Altersdurchschnitt des Stadtrates bedacht: Wir reden von der Generation Tetris! Gekonnt wussten die Stadträte wo sie sich selbst als Baustein in die Menge einbinden konnten, um so gekonnt über die lästigen Bodenplatten und über das Plakat in die gesicherte Zone des Gratiskaffee und kostenlosen Lunchpaketes aka Stadtratsaal zu gelangen. Wir sind gespannt welche Taktik sich das Camp als nächstes überlegt! Toi Toi Toi!

Bildquelle: Stefan Krog, Augsburger Allgemeine

Hurra, dann ging es endlich in das Rathaus um den nächsten aufgeschobenen Krisenmanagement-Punkt mitzuerleben: Die Diskussion um die Kostensteigerung des Staatstheaterumbaus!

Zu Beginn hatten wir gemischte Gefühle. Erstmal flog uns der Hut weg! Es waren nicht mehr nur 15 Sitzplätze für den Plebs, der weiterhin einen Stock tiefer vor einem Fernseher sitzen musste, hergerichtet, sondern viel mehr. Hat sich unser Tipp doch mal auf dem Rathausspeicher nach mehr Stühlen umzusehen gelohnt! Danach kamen wir ins Grübeln. Während draußen die Klimaaktivisten am Boden lagen, brannte im kompletten Rathaus am Vormittag (und auch den ganzen Tag über) das Licht. War das nötig? Natürlich nicht. Aber vielleicht wird der Strom auch von csU-Praktikanten in einem Laufrad im Keller produziert? Solange diese Frage nicht eindeutig geklärt ist wage ich mal die These, dass das Rathaus wohl weiß was es tut!

Nach einem kleinen geschichtlichen Exkurs von Frau Weber über 400 Jahre Ratssitzung im Rathaus, die die Stadträte sichtlich begeisterte und tosenden Applaus der Sitzungsgeldverschlinger zur Folge hatte, ging es dann endlich los! Das heißt noch nicht so ganz. Der Ton und das Bild waren mal wieder miserabel – Tradition wird eben gepflegt in Augsburg. Ganze sechs Medien-facharbeiter die am Fernseher und an den Boxen rumfummelten waren nötig, um nach handgestoppten 15 Minuten die Lautstärke auf ein angenehmes Level zu bekommen. Was für ein Service (einen Stream für alle außerhalb des Rathauses gab es natürlich nicht, wo kommen wir da hin? Krankmachen oder Sonderurlaub ist doch wirklich nicht zu viel verlangt, oder?!)

Bevor es richtig losgehen konnte, wurde natürlich noch in alter Tradition die Tagesordnung in Usain-Bolt-Geschwindigkeit durchgerannt, und von Frau Weber zügig die Abstimmungspunkte vorgetragen, welche zur Sammelabstimmung abgestimmt werden sollen. Wir haben uns aus Leibeskräften bemüht mitzuschreiben; es ist uns nicht gelungen. Fleischverweigerer Wegner mel-dete sich zu Wort und sprach aus was viele dachten. Er möchte nicht in einer Sammelabstimmung über etwas abstimmen wovon er keine Ahnung hat (vermutlich ging es um Käse- und Milchkonsum). Unsere OB konterte souverän: „Herr Wegner, ganz ehrlich, ich glaube in diesem Haus hat keiner Verständnis für Sie!“ Lustigerweise gab es hierfür den größten Applaus des Tages. Aber logisch: Stadträte werden immerhin nicht nach Stunden bezahlt, also warum auch unnötige Abstimmungen, die die csU schleunigst weghaben will, nicht schnellstmöglich abhaken. Seien wir ehrlich, wenn die csU und Grünen sich einig sind, dann ist es eh schon durch! Demokratie kann so herrlich einfach sein.

Dann geht es endlich zur Thematik „Staatstheater“. Sage und Schreibe über 6 Stunden (mit einer Gnadenstunde Mittag dazwischen) zieht sich diese Kaugummidebatte, von der man eh schon vorher wusste wie sie ausgeht. Hab ich schon erwähnt, dass Demokratie, sofern ich die Mehrheit im Stadtrat stelle, so herrlich simpel sein kann? Nun denn, erstmal zeigt uns einer der wahren Stadtregenten aus dem Triumvirat Merkle-Kränzle-Dietz was alles am Gebäude neu gemacht werden muss. Spoiler: Im Prinzip alles! Über die Summen, welche auf die Stadt zukommen schweige ich an dieser Stelle, in ausreichender Fachliteratur im World Wide Web ist dies alles nachzuschlagen und munter in den Kommentarspalten mitzudiskutieren.

Finanzreferent Roland Barth spricht von einem „Jahrhundertprojekt“. Ich stelle mir die Generation im Jahr 2120 vor, wie sie staunend vor einem Staatstheater steht, in welchem jede Vorstellung so stark besucht ist, dass die Leute stehen müssen, und sich dann sagen: Danke! Danke lieber Stadtrat 2020, dass ihr uns dieses Jahrhundertprojekt ermöglicht habt. Aber dann wache ich doch wieder auf! Träumen wird man ja wohl noch dürfen! Ebenso erläutert Barth, das Theater sei „ein Prestigefaktor, der nicht aufs Spiel gesetzt werden sollte“. Auch wird wieder auf die Historie der Stadt zurückgegriffen. 1870 sei es dem Stolz der Bürger zu verdanken gewesen, dass das Theater gebaut wurde. 1945 sei es der Stolz der Bürger gewesen das Theater wieder aufzubauen (vielleicht hätte man manche Sachen einfach liegen lassen sollen). Der Geschichte in allen Ehren, dass sich eine Stadt immer noch Prestige durch ein Theater holt, ist schon irgendwie voll 20. Jahrhundert.

Zwischendurch musste ich übrigens mal kurz aufs Klo. Zwei Stadtratsmitglieder der AfD begeben sich ebenfalls zum Wasserlassen und unterhalten sich ungeniert wie „langweilig“ doch die heutige Sitzung wieder wäre. Da stehen dann einfach so ca. 3200€ monatliche Steuergelder beim urinieren. Naja, wollte ich nur mal erwähnt haben.

Endlich dürfen die Stadträte zu Wort kommen. Es gibt per Handzeichen über 15 gewünschte Redebeiträge. Vor lauter Kratzen meiner Stresspickel bekomme ich schon wunde Stellen. Auf den Wunsch von Frau Weber, jeder solle sich daher kurzfassen, damit jeder zu Wort kommt, reagiert Peter Hummel von den Freien Wähler erstmal mit einem 15 Minuten Redebeitrag, herrlich! Wie sind nochmal die 6 Stunden der Debatte zusammengekommen? Gute Frage!

Die AfD schockiert mit ihrem konstruktiven Redebeitrag. Man werde weder so, noch so abtimmen (später haben sie dann doch in eine Richtung abgestimmt, lol). „Not macht erfinderisch, vielleicht gilt das auch für unsere Stadtregierung“, so Jurca (ca. 1600€ monatliches Steuergeld im Stadtrat). Sapperlott, da hat uns die AfD doch tatsächlich unseren Standpunkt irgendwie geklaut. Jetzt müssen wir uns natürlich was Anderes überlegen. Denn frei nach unserer Europaidee stehen wir natürlich in der absoluten Mitte zur Thematik Staatstheater:

Nach einigen Stadtratsitzungen, an denen ich schon die Ehre hatte als Zuschauer teilzunehmen, kann ich immer wieder nur für folgenden Vorschlag plädieren: Lasst das Rathaus Rathaus sein und verlegt die Stadtratsitzungen einfach gegen einen kleinen Obolus ins Staatstheater. Ganz ehrlich, besseres „Theater“ findet man nirgendwo in ganz Augsburg! Case closed!

Im Laufe der Debatte folgen dann noch einige Zitateperlen. Hier einige davon:

  • „Das Gebäude ist in einem viel schlechteren Zustand als man erwarten konnte“
  • „Es wird ein Theater der Zukunft“
  • „Was man für sein Geld bekommt ist sehr viel meiner Meinung nach“
  • „Kann es sich die Stadt leisten, KEIN Staatstheater zu bauen“
  • „Wir müssen bauen, denn günstiger wird es nicht mehr“

Sollte es der Menschheit je gelingen einen fliegenden DeLoreon zu bauen um damit in die Zukunft zu fliegen, prophezeie ich folgendes Szenario:

Dann wurde endlich abgestimmt. 38 zu 22 Stimmen für den Umbau und damit die Mehrkostentragung für das Staatstheater. Nicht sonderlich überraschend, haben ja csU und Grüne zusammen 35 von 61 Stadträten, also rund 57%. Es ist somit egal, wie lange oder intensiv debattiert wird. Solange sich die csU etwas vornimmt, wird das auch leider durchgehen. Die Grünen, die laut Herrn Dr. Freund ja die Bettvorleger der csU sind, werden immer mit ihrer neuen Mutterpartei konformgehen – Uneinigkeit in der Regierung wäre ja ein handfester Skandal. Dann doch lieber gegen seine eigenen Prinzipien gehen und schön weiter mitregieren. Die Einigkeit und das Miteinander, welches in der ersten Sitzung des neuen Stadtrats ausgerufen wurde, sind natürlich schon längst wieder dahin. Cäsar und Brutus hatte auch mal ihre Einigkeit bekundet, wies ausging wissen wir!

Puh, wir hätten uns da über 6 Stunden Debatte leider ersparen können. Kann ganz schön ermüdend sein. Und auch sehr frustrierend, wenn man eigentlich vorher schon weiß wie es ausgeht. Die Krisenmanager werden weiterhin noch einiges zu tun haben. Ich sehe jetzt schon die Artikel in einschlägigen lokalen Medien wie „Bau wird immer teurer“, „Fertigstellung verzögert sich wei-terhin“, „Anwohner werden vom Baulärm krank“ und ach was weiß denn ich. Probleme die man sich selber schafft, werden auch irgendwie gelöst, sprich die Krisenmanager haben weiterhin Arbeit und können mit Leidenschaft an die Sache rangehen und haben so mehr davon. Wer sein Fahrrad eben liebt, der schiebt!

Und so sieht es aus, wenn nach 7 Stunden Stadtrat noch vier wackere PARTEI-Genossen im Saal übrigbleiben und sich endlich mal in aller Stille Qualitätsfernsehen gönnen können (Anmerkung: nachdem wir gingen kamen wieder neue Ehrenleute zum weiterverfolgen):

Zum Ende noch die „Liste der coolen Leute“:

Horst Hinterbrandner, für seinen Ausspruch, dass er ja auch eines Tages mal ein „alter weißer Mann“ wird, ohne zu erwähnen, dass er ja eh schon bei der csU ist!

Christine Wilholm, für ihren freundlichen Umgang mit potenziellen Wählern auf Social-Media ala „Spinnst du jetzt?“ und „Du willst es wohl nicht verstehen“. Bei den Umfragewerten der Lin-ken gehören da echt Eier dazu!

Lisa McQueen, dafür, dass sie sich wieder einen über 10 Stunden Marathon-Stadtrat gibt im Namen unserer sehr guten Partei Die PARTEI. Wir konnten nach 8 Stunden einfach nicht mehr.

Peter Hummel, für seinen kreativen Projektvorschlag „Sinn-City“. Wenn dich ein Buchstabe vor einer Urheberrechtsklage rettet – Leben am Limit!

Kategorien
Die KOLUMNE

Erkenntnisse aus dem Stadtrat

Es gibt Jahre, da sollte man lieber im Bett bleiben. 2020 zum Beispiel. Ein FDP Politiker wird in der Zone, mit Stimmen der CDU und der AfD, zum Ministerpräsidenten gewählt, die letzte Folge der Lindenstraße wird ausgestrahlt, der große Jerry Stiller will sich diesen ganzen Scheiß mit 92 Jahren wohlverdient nicht mehr antun, und Norbert Blüm hilft seine gesicherte Rente auch nicht mehr. Ach ja, und irgendeine Biermarke betreibt gerade reges weltweites Sponsoring…oder so ähnlich.

Es gab aber auch Gutes in diesem Seuchenjahr zu vermelden. Neben meinem Willen, meinen geistigen Dünnpfiff in Textform zu posten, wurde die sehr gute Partei Die PARTEI mit einem Sitz in den Augsburger Stadtrat gewählt, hurra! Auch wenn es diverse Lokalblättchen nicht für möglich gehalten hatten. Endlich wurden wieder Weimarer Verhältnisse in Augsburg eingeführt, pünktlich zum 100. Jubiläum der „goldenen 20er Jahre“. Wir arbeiten daran!

Spannend endlich mal live zu erleben wie es in so einer 4 Stunden Sitzung abläuft, wenn man sie auch selber zu einem Teil mitgestalten kann. Sorry, aber länger schaffe ich es nicht dazusit-zen und mir alles unbezahlt anzuhören. Ich bin ja vielseitig desinteressiert, muss mir aber auch nicht alles gefallen lassen. Immerhin reiften bei der letzten Sitzung am 25.06. mal wieder allerlei Erkenntnisse, die ich hier gerne mit unserem Wahlvieh teilen möchten.

Erkenntnis 1

Die Stadt ist immer noch nicht in der Lage „Die PARTEI“ richtig zu schreiben. Weder auf der Tagesordnung, noch bei sämtlichen Onlineauftritten. Verständlich, haben wir damals in Textver-arbeitung in der Schule nicht gelernt, dass man die Großschreibtaste nicht zu lange beanspru-chen sollte? Schön, dass wenigstens bei ein paar diese Lehre hängen geblieben ist. Oder ist es mangelnder Respekt, oder Google-Faulheit, oder Copy und Paste Verweigerung? Wer weiß das schon so genau!

Erkenntnis 2

Hurra, der Stadtrat tagt endlich nicht mehr in der Kongresshalle, sondern wieder im Rathaus. Nachteil: Besucher sind im Saal jetzt unerwünscht. Stattdessen wurde in der Halle im Erdge-schoss großzügig für den Pöbel aufgetischt. Ganze 15 Sitzplätze mit 1,5m Abstand wurden ge-schaffen und ein Fernseher aufgestellt. Der Rest musste halt stehen oder am Boden sitzen. Nur wahre Statik Kenner wissen, dass der überdimensionale Saal nicht für einen 2. Fernseher oder mehr Stühle ausgelegt war, da sich die Leute in Corona-Zeiten sonst verteilt hätten und nicht dicht aneinander stehend sofort über die Sitzung sich hätten austauschen können – genial! Dass man keine Masken aufsetzen musste, sondern erst als 2 Stockwerke über uns die Sitzung an-ging, lass ich mal unbeantwortet stehen.

Eine Sitzung online zu streamen, um sie der breiten Masse in Nachhinein zur Verfügung zu stel-len, ist selbstverständlich Blödsinn. Jeder Mensch sollte doch in der Lage sein, sich an einem Donnerstag beruflich den kompletten Nachmittag freizuhalten?! Uninteressiertes Pack!

Erkenntnis 3

Die Opposition kann noch so toll aufgestellt sein, die CSU und die Grünen haben die Mehrheit, dürfen also im Prinzip machen was sie wollen (z.B. auch die Öffis teurer machen, auch wenn auf den Wahlplakaten was Anderes steht, oder wie sagte einst Konrad Adenauer: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“. Regieren ist halt schon geil trolololol). Schön zu verfolgen bei der Wahl der beiden offenen Referatsposten. Ich erspare mir die Rekapitulation der ersten Stunde, in der von der Opposition der schlechte Stil, dass nur die Regierungsparteien die Kan-didaten ausgewählt haben, angeprangert wurde, und springe gleich zur Abstimmung. Diese wird, wie so viele die schnell durchgewunken werden, zack zack vorgelesen. Wen es interessiert, ich hab versucht mitzuschreiben:

Abstimmung Referat 3

  • 36 Stimmen Martin Schenkelberg
  • 16 Stimmen ungültig
  • 4 Stimmen Dr. Stefan Kiefer
  • 2 Stimmen Leo Dietz
  • 1 Stimme Ruth Hintersberger

Abstimmung Referat 5

  • 35 Stimmen Jürgen Enninger
  • 17 Stimmen ungültig
  • 2 Stimmen Dr. Stefan Kiefer
  • 2 Stimmen Benedikt Lika
  • 1 Stimme Roland Wegner
  • 1 Stimme Leo Dietz (was für Allrounder!)
  • 1 Stimme Frau mit Doppelname

Auch interessant, dass bei über 100 Bewerbern kein geeigneter Augsburger gefunden werden konnte. Martin Schenkelberg, gebürtiger Rheinländer und wohnhaft in Franken, laut eigener Aussage seit 23 Jahren „mit Überzeugung“ bei der CDU (na gut, die Leiden seines Gottes Jesus kann er zumindest schon mal nachvollziehen) und Jürgen Enninger, wohnhaft und beruflich in München.

Erkenntnis 4

Stadträte verzichten gerne mal aus solidarischen Gründen auf ihre „Entschädigungen“, naja viel-leicht nicht sofort. Auf den Vorschlag, in Corona-Zeiten doch mal ein bisschen ein Signal nach außen zu setzen und die großzügigen Entschädigungen anzupassen, während tausende in Kurzarbeit geschickt werden, oder gar ihre Jobs verlieren, wurde nur so halbherzig umgesetzt.

Immerhin wurden in den letzten 6 Jahren die Bezüge laut eigener Aussage um 30% erhöht. Ja klar, die würde ich mir doch auch nicht für das murrende Volk wieder nehmen lassen! Daher hat die Fraktion CSU/Grüne logischerweise den Vorschlag eingereicht das ganze erst ab 1.1.2022 geltend zu machen. Sowas zieht ja einen Rattenschwanz an Bürokratie sicher mit sich, die armen armen überarbeiteten Beamten. Mit 56 zu 3 Stimmen wurde es natürlich angenommen. Die Kö-nigslösung! Das Zeichen wurde fürs Volk gesetzt, und wer denkt da schon noch in einem Jahr darüber nach. Man kanns ja insgeheim immer noch kippen, hihi, und kein Stadtrat kann nicht behaupten, er habe nicht solidarisch für die Anpassung gestimmt, ein Geniestreich!

Unsere Lisa hat übrigens zwar auch für die Annahme gestimmt. Begründung: „da ging es nur um ehrenamtlichen Mitglieder und zum Beispiel nicht die Referenten und die OB selbst, das hat mir da drin gefehlt, denn das wäre ebenfalls mitzubeachten.“ Genial, Geld behalten und trotzdem ein reines Gewissen – da haben wir uns sauber aus der Affäre gezogen!

Erkenntnis 5

Leider wurde unser Antrag, den Stadtteil „Kriegshaber“ in „Friedensbringer“ umzubenennen mit einem historisch knappen Ausgang von 1 zu 58 Stimmen abgelehnt. Skandalös hierbei, dass sämtliche Parteien, außer wir natürlich, konform mit der AfD abgestimmt haben. Sapperlott! Mehr Worte an dieser Stelle nicht, Lisas Rede plus der Antrag können auf Facebook oder unserer Homepage eingesehen werden. Die Erkenntnis, dass alle Stadträte plus das hochgeschätzte Onlinepublikum von diversen kostenlosen Nachrichtenseiten immer noch nicht so ganz umreißt um was es uns bei solchen Anträgen geht, hat uns köstlich amüsiert. Was soll man noch groß sagen? Krieg, der Wohnungsmarkt und Politik bringen das Schlimmste im Menschen hervor.

An dieser Stelle nur noch die einzige Wortmeldung der AfD in 4 Stunden von uns beigewohnter Sitzung:

Jurca: „Ich weiß jetzt nicht, ob das einfach nur Satire ist, aber denke wir können uns den Schmarn sparen!“

Weber: „Herr Jurca, Anträge in diesem Haus als Schmarn zu bezeichnen zeigt nur von Respekt-losigkeit. Ich bitte dies in Zukunft zu unterlassen“

Abschließend möchte ich noch eine neue Rubrik gleich zu Beginn starten, die „Liste der coolen Leute“, in denen ich immer wohlwollend bei jeder Ausgabe coole Leute erwähne:

Eva Weber, für ihren Konter gegen den geistigen AfD-Einwand.

Dr. Stefan Kiefer, für den Spruch über die Grünen: „Als Tiger gestartet, als Bettvorleger [der CSU] geendet.

Lisa McQueen, dafür, dass sie sich diese Sitzungen einfach stundenlang gibt und aufpasst, im Gegensatz zu einigen anderen. Ja, das kann man als Zuschauer herrlich beobachten.

Gerd Merkle, dafür, dass er mir nicht böse war als ich ihn am Eingang nicht erkannt habe und fragte ob er zum Stadtrat gehört.

In diesem Sinne, bleibts gesund!

Euer Thomas