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Die KOLUMNE

Niemand hat die Absicht eine Kartoffel aufzuhängen!

Kinder, was ist da denn los? Kaum verlässt man frustriert die Häuseransammlung am Lech, schon ist die braune Kacke am Dampfen. Woher kommt der Geruch? Der Schnupperspur zur Folge kommt er genau aus der Ecke, in der der braune Bodensatz am Ende der Dose einfach nicht weggehen will und irgendwann zum müffeln anfängt: Social Media.

Über die Thematik „Klimacamp“, welche der Auslöser für all die Action war, könnte man glatt eine eigene Kolumne füllen, daher lassen wir das mal. 2020 ist kein tolles Jahr, doch wer mal für einen Moment seine Sorgen und Nöte vergessen will, dem sei ein Besuch auf der Facebookseite des AfD Kreisverbandes Augsburg Stadt zu empfehlen. Eine Zwerchfellmassage erster Güte. Zu angesprochenem Camp wurde irgendwas gefordert von ihnen, weiß nicht mehr genau was. Ist im Angesicht von deren Forderungen („keine Extraspur für die Tram, das behindert nur die Autofahrer“ oder „wer in Augsburg wohnt, aber woanders arbeitet, sollte verpflichtend mehr Miete zahlen“) auch irrelevant (oh, wie ich dieses Wort zu hassen gelernt habe).

Einer unserer sehr guten Genossen kommentierte den Post mit „Dann fordert mal“. Nur diese drei Wörter reichten den Sherlock Holmes von der AfD (oder deutschen wir es ein, ein ausländisch klingender Name passt nicht zu ihnen. Sagen wir Max Meier) um schlau zu kombinieren, dass Die PARTEI – ja uns schreibt man übrigens so, ist eigentlich gar nicht so schwer – „beim Schutz der militanten Linksextremisten“ dabei wäre. Gut zu wissen, wir wussten nämlich nichts davon.

Circa 8 Stunden nach dem Kommentar schwenkte man auch schon zum wahren Gesicht über und schwang in die Rassismus- und Sexismusschiene indem man unsere Lisa persönlich angriff (Ja, es gibt einen Unterschied ob man eine Partei angeht oder eine Einzelperson, kann man mit Sicherheit irgendwo nachlesen). Der Screenshot spricht für sich und sollte mittlerweile jedem bekannt sein. Danke an dieser Stelle für den Erfinder des Screenshots, natürlich ist der Post bereits gelöscht. Böser böser Social-Media-Manager!


Satirisches Material zu finden wird leider immer schwerer, da sich viele Politiker nicht mehr so naiv, vor allem uns gegenüber, anstellen wie früher und immer öfter darauf achten, was sie sagen. Nicht so bei unseren rechten Freunden, die müsste man eigentlich gar nicht angehen, die zerstören sich schon selbst. Anstatt einfach Gras über die Sache wachsen zu lassen, sah man sich aufgrund des Backlash, der bis in den Stadtrat ging, zu diversen Gegenposts gezwungen. Alles online nachzulesen (bis es gelöscht wird natürlich). Paar davon haben uns doch schier beömmelt! Anmerkung: Die Echauffierung, dass ja alle gleich als Nazis hingestellt werden, lasse ich mal weg. Hierzu muss man nun wirklich nichts mehr sagen.

Zum einen geht es natürlich um unseren bösen bösen Aufkleber „schwärzer als die CSU“. „…nach unserer Auffassung hat die Hautfarbe eines Kandidaten in einem Wahlkampf nichts verloren“, heisst es auf der AfD Seite. Und weiter: „Spaßeshalber habe ich mit angefügt, dass wir ja auch nicht mit Slogans wie Steffen Müller, weißer als ein Eisbärenhintern ins Felde gehen…“

Hierzu zwei Sachen. Erstens: Wir in der Partei Die PARTEI bevorzugen ja die Schreibweise „csU“, da wir der Meinung sind, dass sich die csU von den eigens aufgestellten christlichen und sozialen Werten weit entfernt hat. Natürlich können wir das so nicht auf den Aufklebern schreiben, da jeder sofort auf einen Rechtschreibfehler schließen würde, und wir alles erst mal erklären müssten. Jede Partei hat außerdem im Laufe der Jahre eine bestimmte symbolisierte Farbe, die csU (bzw. die Union an sich) wird oft schwarz dargestellt. Ihr seid übrigens meistens blau, obwohl braun besser passen würde. Schwärzer zu sein als die csU soll dann natürlich bedeuten, dass es bei uns christlicher und sozialer zugeht. Passend natürlich auch hier, dass Lisa dunkelhäutig ist, womit der Spruch nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch zur Geltung kommt, dadurch zweideutig verstehen werden kann und somit polarisiert. Meine Fresse, muss ich hier gerade echt den satirischen Hintergrund erklären?!

Der sehr gute Aufkleber kann gerne nachgefragt werden. Smiley

Zweitens: Das „Spaßes halber“ erwähnte Wahlplakat mit dem „weißer als ein Eisbärenhintern“ würde ich wirklich lieber lassen. Aufgrund eines sachdienlichen Hinweises (danke Hendrik) und anschließender zweiminütiger Googlerecherche habe ich herausgefunden, dass Eisbären nur ein weißes Fell und eigentlich eine SCHWARZE Haut haben. Sapperlott! Würde nicht so in deren Weltanschauung passen, wenn sie sich mit etwas Dunklem vergleichen. Außerdem erstaunlich, dass von allen „hellen“ Tieren ihnen genau das in den Sinn kommt, welches durch Artenrückgang auffällt und bald vom Aussterben bedroht ist, also irgendwann Gefahr läuft zu verschwinden. Ein bemerkenswerter Vergleich.

Ein weiterer Aufreger: „Mit Slogans wie ´Hier könnte eine Kartoffel hängen´ mit dem Wort Kartoffel als diskriminierende Beschimpfung gegen die autochtondeutsche Bevölkerung, wird linke Agitation betrieben, die die Grenzen der Satire überschreiten“, so die AfD auf ihrer Facebookseite.

Also erst mal großen Dank für den Hinweis. Das Bild ist leider sehr verschwommen, schwer zu erkennen, welcher sehr gute Kreisverband das war. Das Plakat kannten wir selber noch nicht, aber ist ja großartig! Wie dem auch sei, selbstredend wird hier auf das große Problem der Anthophobie, der krankhaften Angst vor Pflanzen, aufmerksam gemacht. Pflanzen spenden nicht nur Sauerstoff, sondern dienen wie im Fall der Kartoffel auch zum Verzehr. Von all den Pflanzen die es gibt haben wir hier die Kartoffel ausgewählt, da diese als urdeutsches Essen gilt, weil es super als Beilage zu jeder Art Sonntagsbraten (der ist der AfD ja besonders wichtig) dient, sondern auch schon von Friedrich dem Großen im 18. Jahrhundert aufgrund ihrer Vielfältigkeit in Brandenburg-Preußen großflächig angebaut wurde. Und wer war bitte preußisch-deutscher als Friedrich der Große?

Es wäre also eine Schande, wenn sich diese Phobie weiter ausbreitet und Pflanzen darunter leiden müssten, oder gar aufgehängt werden. Daher bezieht Die PARTEI KV Augsburg eine klare Position:

NIEMAND HAT DIE ABSICHT EINE KARTOFFEL AUFZUHÄNGEN

Da ich noch keine Kinder habe, musste ich mich beim Abschlusssatz des Posts von der AfD zusammenreißen, dass mir nicht der Sack vor lauter Lachen platzt:

„Fein, was unter dem Etikett SATIRE so alles geduldet werden kann, denn spätestens seit dem Genossen Tucholsky wissen wir: „Satire darf alles!“. Wir allerdings bleiben allerdings [Anmerkung: Ja, das haben die echt so geschrieben] weiterhin im Fahrwasser des guten Geschmacks und der fairen Diskussionsführung.“

Richtig, darum werden auch fleißig Kommentare, die nicht ganz so passen gelöscht und User für das Kommentieren geblockt. Denn eine faire Diskussionsführung heißt, dass ich meine Meinung bitte von allen nur bestätigt haben möchte. Ist allgemein bekannt.


Best of Reaktionen zu unserem Post des rassistischen und sexistischen Screenshots:

Martin Sonneborn (GröVaZ und EU-Sitzungsgeldgenießer): „Idiot. PS: Unsere Spitzenkandidatin Lisa hätte „allen Anschein nach“ nicht mit „n“ geschrieben. Gibt Ihnen das nicht zu denk… äh, Pardon, ich ziehe die Frage zurück.“

Volksverpetzer (Social Media Grantler): „So widerlich rassistisch und sexistisch äußert sich die AfD Augsburg über die Augsburger Spitzenkandidatin der Die PARTEI“

Hooligans gegen Satzbau (Wiegehtarische Satire und Aktivistisches): „ xD „

Peter Hummel (wählt meistens frei): „Wer andere Menschen ihrer Hautfarbe wegen diskreditiert, ist ein Rassist. Und Rassismus ist niemals tolerierbar. Deshalb werde ich künftig in jedem Ausschuss des Augsburger Stadtrats, in jeder Sitzung und in jedem Beirat, in dem ich vertreten bin, die Anwesenden darauf hinweisen, dass auch Rassisten mit am Tisch sitzen, sofern Stadträte der AfD anwesend sind. Das bin ich, das sind wir alle Lisa McQueen schuldig. Es darf keine Normalität mit diesen Leuten geben. Kein Wegschauen. Kein Tolerieren.“

Frederik Hintermayr (geht lieber auf der linken Seite vom Bürgersteig): „Solidarität mit Lisa“

Rene K. (Antwortsucher auf Facebook): „Ich weiß dann immer nicht, was schlimmer ist. Die AfD oder diejenigen, die solche Wixxxer gewählt haben und auch weiterhin unterstützen…“

Ja Rene, das fragen wir uns auch. Man muss kein Geschichtsstudent sein, um zu wissen, wohin eine solche Politik führt. Wir heißen keinerlei radikale Politik gut, egal ob sie nach links oder rechts geht. Aber kann man aus der extrem rechten Politik der Nationalsozialisten, wie sie im Dritten Reich (und auch schon die Jahre davor) geschehen ist, nicht langsam mal Lehren aus der Geschichte ziehen? Die Generation, welche noch davon berichten kann, stirbt leider komplett aus und wir alle können nur erahnen, wie es gewesen sein muss damals zu leben.

Ich persönlich frage mich immer wieder, wie würden sich die, die so etwas im Jahr 2020 immer noch propagieren, wohl dann fühlen, sollte so etwas echt wieder in unserem Land geschehen. Oder wissen sie, dass die Menschheit mittlerweile doch weiterentwickelt ist um so etwas nie wieder geschehen zu lassen und suchen nur ein Ventil für ihre eigene Unzufriedenheit, schlechte Lebenslage oder Einsamkeit? Jedem ist die Antwort selbst überlassen.


Großen Respekt, und ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich das mal sage, zolle ich dem Stadtrat und sämtlichen Politikern, die sich auf Lisas Seite gestellt haben – egal von welcher Partei. Mein Webärchen, wie ich liebevoll die Oberbürgermeisterin nenne, sprach dies auch in der letzten Stadtratsitzung vor versammelter Mannschaft an. Stark!

Ihr kriegt alle von uns euer Fett weg. Gut, ihr liefert uns auch immer genügend Material, aber wenn es gegen rechtes Gedankengut und rassistische Angriffe gegen eine einzelne Person, noch dazu aus dem Stadtrat, geht, dann hat der Stadtrat (die AfD klammere ich hier selbstverständlich aus) wirklich zum ersten Mal Geschlossenheit, Einigkeit und Zusammenhalt bewiesen. Alle Ehre euch allen dafür!


Bleibt abschließend nur noch zu spekulieren, wie sich die Zukunft wohl entwickeln wird. Ich denke, sie wird leider noch ein bisschen traurig bleiben. Fehler eingestehen, oder gar Einsicht kann man wohl nie erwarten. Der Postverfasser der AfD postet hierzu: „Insgesamt bin ich im Nachhinein sehr zufrieden mit dem was dabei herausgekommen ist. Es war zwar meinerseits so nicht geplant, aber es hat uns in der Öffentlichkeit gut positioniert in der immer noch aktuellen hysterischen Rassismusdebatte“.

Ähm ja, das ist ungefähr so wie damals als ja bekanntlich Adolf H. am 30. April 1945 im Führerbunker kurz bevor er sich die Kugel gab folgendes aussprach: „Insgesamt bin ich im Nachhinein sehr zufrieden mit dem was dabei herausgekommen ist. Es war zwar meinerseits so nicht geplant, aber es wird mich über Generationen hinweg immer in Bewusstsein der Menschen fest verankert haben“.

Man kann sich alles irgendwie schönreden. Hey, hier ist noch eine zufällige Aneinanderreihung von Buchstaben:

Kurze Richtigstellung am Ende: Mich erreichte ein sachdienlicher Hinweis von oberster Führungsriege der Generation Aux, dass mir ein Zitierfehler in der Ausgabe 2 unterlaufen ist. Der Satz, dass er ja eines Tages auch gerne ein alter weißer Mann sein möchte, stammte nicht von Herrn Hinterbrandner, sondern von Herrn Brandmiller. Entschuldigung dafür, aber nach mehreren Stunden Stadtrat Mitschriften war da mein Hirn anscheinend schon durch.

Zum Ende wieder die „Liste der coolen Leute“:

Lisa McQueen, dafür, dass sie es bis in den Stadtrat geschafft hat und dadurch ein paar Einzeller mächtig ärgern kann.

Raphael Brandmiller, dafür, dass er anscheinend diese Text hier liest, alle Ehre!

Horst Hinterbrandner, dafür, dass er mir wegen falschem Zitieren nicht die Prügel rausgeschmissen hat. Danke!

Peter Hummel, dafür, dass er den Genossen am Stammtisch das versprochene Bier vorbeigebracht hat. Ehrenmann!


Gewidmet unserer Lucy, Ruhe in Frieden!